Unsere Kleine in der Familie ist 8 Jahre und zeigt ein zunehmendes Interesse an Mathe. Sie ist schnell im Kopf, was auch ihrer Klassenlehrerin in der Waldorfschule auffiel. So weit so gut. Letztens begann sie jedoch, sich für die Rechnungen im Minusbereich zu interessieren: „Was kommt eigentlich raus, wenn ich 7 – 10 rechne?“ Ihre Mutter erklärte es ihr und binnen kürzester Zeit rechnete sie eigenständig im 20ger Bereich. Sie erzählte es mir so ganz nebenbei. Ich konnte es kaum glauben, aber nach ein paar Rechenbeispielen war es klar.

Als die Mutter und ich uns vor Kurzem trafen, erzählte sie mir, dass unsere Kleine nun auch im Minus-Bereich rechnet. „Ja, ich weiß.“ Im weiteren Verlauf unsere Gesprächs wurde jedoch deutlich, dass die Mutter eher Sorge als Freude empfand. „Das rechnen sie doch erst in der 3. oder 4. Klasse!“ Sie hatte auch schon mit der Lehrerin gesprochen und beide waren sich darüber einig, dass es zwar okay sei, aber nicht forciert werden sollte. Es schimmerte eine Haltung von „Bloß nicht schlimmer machen!“ hindurch.

Ich befasse mich nun seit gut dreizehn Jahren mit den Phänomenen der Hochsensibilität und Hochbegabung. Einer meiner Schwerpunkte in der Beratung und im Coaching ist, die Veranlagung als Ausdruck des Seelenwerkzeugs zu sehen und somit möglichst viel Raum und Möglichkeiten zu schaffen, dass diese Werkzeuge angewandt werden können. In der Regel geht es den Betreffenden damit und dadurch besser.

Obwohl die Mutter von meiner Arbeit und auch Haltung Hochbegabung gegenüber weiß, konnte sie sich der Begabung ihrer Tochter gegenüber nicht freudig öffnen. Ich fragte mich, warum das so ist. Schließlich ist auch die Mutter selbst nicht auf den Kopf gefallen. Aber das scheint bei der Einschätzung bezüglich des eigenen Kindes keine oder keine bestimmende Rolle mehr zu spielen. Vielmehr kam die Sorge zum Ausdruck, dass, wenn das Kind seinen hochbegabten Fähigkeiten folgt, es nicht mehr in das vorgesehene Bildungsraster mehr passt. Ja, das ist in zunehmendem Maße bei immer mehr Kindern zu beobachten!

Die Angst, ein Kind zu haben, das sich jenseits der für alle gleichermaßen(!) vorgesehenen inhaltlichen Bildungsstrukturen entwickelt, sitzt tief. Selbst vor aufgeklärten und intelligenten Menschen macht die „Gleichheits-Konditionierung“ nicht Halt. Warum nicht? Weil diese Einstellung mit jeder Zelle selbst erfahren und in jeder Zelle jenseits des Alltagsbewusstseins abgespeichert wurde. Zwar hat sich die Pädagogik in den letzten vierzig, fünfzig Jahren stark mit Menschen mit Defiziten befasst, aber Kindern mit Hochbegabungen haben bis zum heutigen Tag Schwierigkeiten, mit diesen Gaben gesehen und vor allem anerkannt zu werden. Auch heute noch schmettern Lehrkräfte Eltern mit einem positiven IQ-Test ihres Kindes ab, mit dem Hinweis, das würde in ihrem Unterricht keine Relevanz haben. Fairerweise muss ich hier anfügen, dass es glücklicherweise inzwischen auch immer mehr Lehrkräfte gibt, die sowohl die Hochbegabung als auch die Hochsensibilität positiv sehen und darauf – soweit es ein klassischer Schulalltag zulässt – eingehen. Aber wir haben noch viel Spielraum nach oben …

Ich war in meiner Arbeit dazu vor einigen Jahren recht überrascht zu sehen, dass in den USA das gleiche Problem existiert. Ein wertvolles Buch hierzu ist „Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung“ von James T. Webb.

Was können wir tun? Umdenken ist angesagt. Aber auch umfühlen! Wie mir das kleine Gespräch mit der Mutter gezeigt hat, reicht es nicht, den Verstand anzusprechen und auf Einsicht und Verständnis zu hoffen. Die Bremse sitzt tiefer. Daher ist es wichtig, sowohl als Eltern, aber auch als Pädagogen in allen Bereichen die eigene „Konditionierung“, die eigenen Glaubenssätze wie zum Beispiel „(M)ein Kind wird nur ein glückliches Leben führen können, wenn es sich gut in die vorgegeben (inhaltlichen) Strukturen eingliedert.“ zu verabschieden. Auch sind wir jeden Tag eingeladen, unsere Haltung, besser über die individuelle Entwicklung des Kindes bescheid zu wissen als das innere Wesen des Kindes selbst, zu verabschieden.

Wie können wir diese Konditionierung ablösen? Einerseits indem wir um das Thema wissen und unser Bewusstsein dafür schärfen. Dies beinhaltet Selbstbeobachtung, Offenheit und Achtsamkeit im Umgang mit dem Kind. Andererseits gilt es, in jedem Moment zu schauen: Was ist gerade im Moment? Was ist jetzt? Was will jetzt gelebt und ausgedrückt werden? Jetzt!

Seit 2010 unterstütze ich sowohl Betroffene als auch Eltern hochsensibler und hochbegabter Kinder darin, die Herausforderungen mit diesen Veranlagungen positiv und kreativ zu gestalten. Denn so wie eine ungelebte Disposition ein Leben ausbremsten kann, so lässt eine gelebte Veranlagung das individuelle Leben erblühen.

Angebote:
Monatliche Eltern-Sprechstunde online (wähle den passenden Termin im Kalender)
Beratung und Coaching für Eltern (ohne Kind, nach Vereinbarung)

Die Beratung und das Coaching werden sowohl als Online-, als auch als Präsenz-Veranstaltungen in Bernau b. Berlin angeboten.

Ich freue mich auf Dich und Sie 🌟

Cordula Roemer

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Das Buch zum Blogthema:

Mein hochsensibles Kind
In diesem Buch findest Du sowohl pädagogische Informationen für den Umgang mit Deinem feinfühligen Kind, als auch Tipps aus der naturkundlichen Medizin für eine sanfte Stärkung Deines Kindes.

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