Neue Blickwinkel

Jenseits der Norm beginnt das Leben?!

Einschränkungen des Normverständnisses und seine Auswirkungen auf hochsensible und hochbegabte Menschen

Entdecke, wie medizinische und psychologische Normen entstehen, wie sie u.a. hochsensible und hochbegabte Menschen beeinflussen und welche Wege es gibt, diese Herausforderungen zu meistern.

Wer nicht suched, der findet ...

Was Aufräumen so ans Tageslicht bringt ...

Manchmal ist es nicht nur spannend, was wir beim Aufräumen so alles auf dem Dachboden oder im Keller finden. Auch die schriftlichen Unterlagen und Notizen vergangener Jahre mögen aufschlußreich oder inspirierend sein. So wie der Satz, den ich in einer meiner Ausbildungsnotizen von 2006 las:

„Was kann eine Psychologie heilen, die bei einer ´Deformation´ von einem Normalzustand ausgeht?“

Ja, was kann sie heilen? Oder anders gefragt: Heilt sie oder bewahrt sie letztlich den Zustand der Deformation in seiner Deformation? Um Missverständnissen vorzubeugen: Unter Deformation verstehe ich ganz allgemein eine Abweichung von der ursprünglichen Form, die jedoch nicht gewollt oder der Befindlichkeit nicht zuträglich ist. Dies kann sowohl körperliche als auch psychische Zustände betreffen. Ein anderes Wort für dererlei Zustände ist auch: unnormal oder gestört.

Psychologische Auswirkungen

Das Leben im Spannungsfeld der Normen

Ich befasse mich seit 2007 mit den Themen Hochsensibilität und Hochbegabung und ganz allgemein der Feinfühligkeit bei Menschen. Alles Themen, in denen leider noch viel zu häufig das der Veranlagung entsprechende Bedürfnis oder die entsprechende Ausdrucksform als eine psychischen Deformation, also eine Un-Normalität verstanden wird. Der empfindsame Hochsensible, der sich alle Stimmungen so sehr zu Herzen nimmt; die viel zu schnelle, aber unerkannte Hochbegabte, die sicherlich nur huschhusch alles überflogen hat und morgen nicht mehr weiß, wie die Aufgabe zu lösen ist; das sonderbare Kind mit seinen noch sonderbaren Wahrnehmungen, das damit alleine am Rande der Gruppe steht …, alles Hinweise auf unnormales Empfinden oder Handeln? Nicht selten werden diese Wesenszüge, aber auch die Begleiterscheinungen ungünstiger Lebensbedingungen als unnormal oder eine Störung interpretiert.

Aber gerade diese Begleiterscheinungen, also jene Empfindungen, die aus den individuell unpassenden Lebensbedingungen resultieren, geben uns, also sowohl Angehörigen als auch Fachkräften, einen verstehenden Einblick in das Wesen und vor allem die Bedürfnislage des betreffenden Menschen.

Was aber geschieht, wenn das Gros der psychologischen Gilde immer noch von zu verändernden Verhaltensweisen spricht, wenn ein Kind sich zum Beispiel in der Schule durch die permanente Reizüberflutung zurückzieht? Oder mit seinem empathischen Wesen viel schneller zu Tränen gerührt ist als weniger sensible Mitschüler? Oder warum gilt ein großer Wissensdurst oder außergewöhnliche Leistungen häufig noch als ein Manko und ein erklärender IQ-Test mancherorts als irrelevant?

Die Liste könnte länger sein und ich denke, alle, die selbst eine derartige Veranlagung in sich tragen, können davon ein Lied singen. Kaum jemand dieser Spezies kommt ungeschoren durch die Kinder- und Jugendzeit. Gestern sprach ich mit einem Vater, der wegen seinem Sohn, der getesteterweise ein Hochbegabter ist, über die Schwierigkeiten, die das neunjährige Kind in den diversen Schulen bereits erlebt hat. Kaum zu glauben aber Realität, ist es für engagierte Eltern nach wie vor ein Sysiphus-Weg, nicht nur Verständnis, sondern auch konstruktives Wissen auf Seiten der Fachkräfte zu finden.

Das Buch zum Artikel

Um die eigene Veranlagung der Hochsensibilität oder Hochbegabung zu wissen ist das Eine. Die Veranlagung täglich zu leben – und damit auch von außen gesetzte Einschränkungen und Grenzen zu erweitern – ist eine andere Sache. In diesem Buch erfährt Du, wie Du mit den 4 Schritten:

ErkennenReframen IntegrierenLeben

Deine Disposition zu Deiner Lebensquelle machst. Das Buch ist sowohl für Betroffene als auch für Fachkräfte geschrieben.

Name hier eintragen

Die Grenzen der Norm

Wie "Normalität" kreiert wird

Ein sehr aufschlußreicher Augenöffner bezüglich des Themas Normalität im medizinischen und psychologischen Kontext war für mich das Buch Normal“ von Allen Frances. Er, seines Zeichens amerikanischer Psychiater, berichtet in diesem Buch darüber, in welcher Weise bei der Be- und Überarbeitung des Diagnosehandbuchs DSM (USA) beziehungsweise IC D11 (Deutschland) mit dem Begriff und vor allem dem Spielraum menschlicher Normalität umgegangen wurde. Die Tatsache, dass hier von den daran mitwirkenden medizinischen Experten der Normbereich menschlicher Zustände, sowohl physischer als auch psychischer Natur, mutwillig und wissentlich eingeschränkt wurde, ließ Frances nicht nur sein Veto einlegen, sondern veranlasste ihn, das Gremium zu verlassen. Er konnte eine derartige Verzerrung menschlicher Normalität nicht verantworten. Daher schrieb er das Buch, das ich für eine Pflichtlektüre halte, um sich mit den Hintergründen und der ungesunden Entwicklung unseres Gesundheitswesens zu befassen.

Nichtsdestotrotz haben die manipulierten Verzerrungen in unsere medizinische und psychologische Versorgung Einzug gehalten. So wurde zum Beispiel der bislang als gesund geltende Eisenwert „korrigiert“. Da immer weniger Menschen einen gesunden Normwert aufwiesen, beschloss man, dass der geringere Wert für ein vermeintlich gesundes Leben offensichtlich völlig ausreichend sei und korrigierte nach unten. Ein anderes Beispiel: In Deutschland sind die zulässigen Aufnahmemengen für Nahrungsergänzungsmittel teilweise um ein Vielfaches geringer als in anderen europäischen Ländern. Warum? Vertragen wir Deutschen nicht so viel? Oder sind wir durch die Bank so kerngesund, dass es in der breiten Masse keiner höheren Zufuhrmengen bedarf? So ist die Empfehlung beim umstrittenen Vitamin D zum Beispiel nur ein Fünftel der Menge, die in Irland empfohlen wird, und das bei lediglich einem Drittel Unterschied in der Anzahl der Regen- und damit der definitiv bewölkten Tage (ca. 117 (D) zu 180 (Ir) Regentage). Siehe hierzu die Vergleichstabelle von 2021.

Schritt für Schritt

Weniger ist mehr - mehr von was?

Und wie sieht es im psychologischen Bereich aus? Auch hier wurden Veränderungen der Normdefinitionen vorgenommen. In der Regel sind sie einschränkender Natur, das heißt, als bislang völlig normal geltendes menschliches Verhalten wurde als grenzwertig oder eben auch jenseits der Norm – und damit behandelbar – definiert.

Ein sehr gravierendes Beispiel stellt hier der Umgang mit dem sogenannten Trauerjahr dar. Seit Generationen war es üblich, dem Trauernden, der einen nahestehenden Menschen verloren hat, ein Jahr der Trauer zu gewähren. Ein Jahr schwarze Kleidung tragen, vor dem Ende des Jahres keine neue Partnerschaft eingehen sind Beispiele der üblichen Rituale oder Regeln, die mit dem Trauerjahr verbunden sind.

Nun, nach der letzten Überarbeitung des amerikanischen Diagnosekatalogs DSM V ist dieser Zeitraum auf zwei Wochen geschrumpft! Ja, Sie lesen richtig: Zwei Wochen! Danach gilt der Trauerprozess als Störung und kann – wen wundert’s – medizinisch und psychologisch behandelt werden.

Werfen wir einen Blick auf die Jüngsten unter uns. Auch das kindliche Empfinden und Verhalten wurde von dieser, nicht erst seit dem DSM V existierende, eingrenzenden Katalogisierung ausgelassen. Früher galt es als völlig normal, dass Kinder per se ausgesprochen bewegungsfreudig sind. Schule, auch in den höheren Klassen, ging nur bis Mittags, so dass es anschließend noch genügend Zeit für den Bewegungsausgleich gab.

Ich weiß noch, dass ich in der eher wärmeren Jahreszeit, also April bis in den Oktober hinein, nach der Schule ständig mit Rad, Rollschuhen, Ball, anderen Kindern oder auf Wäschestangen, Mauern und Bäumen unterwegs war. Ja, damals gab es ja auch noch keine Playstation, Handys und andere digitale Medien, könnten Sie sagen. Stimmt. Aber reduziert die digitale Beschäftigung in gesunder Weise das Bewegungsbedürfnis eines Kindes? Sicherlich nicht.

Der springende Punkt ist hierbei, dass die negativen Auswirkungen des Bewegungsmangels als ‚unnormal’ interpretiert werden. Denn nichts anderes ist es, wenn zappeligen oder unkonzentrierten Kindern eine Störung bescheinigt wird. Aber die negativen Auswirkungen sind nicht unnormal, ganz im Gegenteil. Es sind gesunde Reaktionen auf ungesunde Umstände. Was also bewirkt die Medizin oder Psychologie, wenn sie diesem gesunden Abwehrverhalten mit Störungsdiagnosen, pharmazeutischen Präparaten und entsprechenden psychologischen Korrekturmaßnahmen begegnet? Sie stellt die belastende Ausgangsproblematik (z.B. zu wenig Bewegung, zu wenig Emotionalität) entweder als erstrebenswerten Normzustand dar oder umgeht die Klärung und Veränderung der tatsächlichen Ursachen.

Bauchgefühl - wenn das Herz spricht

Relevanz für Hochsensible und Hochbegabte

Hochsensible und Hochbagebte haben häufig mit den Auswirkungen der Norm-Einschränkungen zu tun. Sind ihre Wesenszüge und Bedürfnisse schon in normalen Zeiten häufig jenseits des Durchschnittlichen, so werden sie in Zeiten der Normverzerrung schnell als Störungen oder Erkrankungen verortet. Es ist daher ausgesprochen hilfreich, diese Dynamiken in der Medizin und Psychologie zu erkennen und sich von ihnen in der Weise zu distanzieren, dass wir uns wieder auf ursprüngliche und vor allem gesundheitsfördernde Sichtweisen fokussieren. Wie soll das gehen?
Hierzu hat der Biologe Gregg Braden das sehr aufschlussreiche Buch Mensch: Gemacht geschrieben. Eine Kernaussage hierin ist, dass neuesten wissenschaftlichen Forschungen das Herz das erste Organ ist, das Informationen aufnimmt und verarbeitet. Erst danach werden Informationen an das Gehirn weitergesendet.

Wie  erhalten wir nun Zugang zu diesem Wissen des Herzens? Durch unsere Intuition. Sie ist der Schlüssel zu jenem tiefen und menschlich grundlegendem Wissen, das wir brauchen, um zu erkennen, ob Informationen für uns hilfreich oder verfälscht sind.

Bleibe informiert 👇

Abonniere meinen Newsletter, um (fast) regelmäßig interessante Informationen, erhellende Inspirationen und natürlichdie aktuellen Veranstaltungshinweise rund um Hochsensibilität und Hochbegabung zu erhalten. Mein Newsletter erscheint sporadisch nach Informations- und Veranstalungslage, durchschnittlich 1x monatlich.

Welche Sicht prägt meinen Blickwinkel?

Fehldiagnosen helfen nicht

Zurück zu den Veranlagungen der Hochsensibilität, Hochbegabung und der Deformierung als Normalzustand. In meiner Praxis begegnen mir immer wieder kindliche Schicksale, die diese oben dargelegte Dramatik im Alltag sicht- und spürbar werden lassen.

Ein trauriger Klassiker hierbei sind die bereits seit einigen Jahrzehnten inflationär gehandhabten Vermutungen und Diagnosen von AD(H)S oder Autismus. Auch wenn der „Hipe“ darum inzwischen erfreulicherweise wieder nachlässt, gibt es bedauerlicherweise immer noch viele Fachkräfte, die an der gut verankerten Sichtweise defizitären Verhaltens bei Kindern festhalten. Ein Kind, das nicht mindestens drei oder vier Freunde hat, freudig und rege im Unterricht oder in der Arbeitsgruppe mit fünf anderen an der Aufgabe tüftelt und anschließend in der lauten Hofpause erleichtert mit den anderen Kindern rauft oder spielt, ist irgendwie nicht normal und muss beobachtet oder gar zur Untersuchung gebracht werden. Ein Kind, das im Unterricht träumend aus dem Fenster schaut, um dem Gehirn die dringend notwendige Verarbeitungspause einzuräumen, gilt schnell als unkonzentriert oder unwillig. Ein Kind, das andere Bedürfnisse oder Grenzen als der Rest der Gruppe zeigt, kann nicht normal sein. Denn normal ist: was alle machen oder sind! Ist dem wirklich so?

Nein, für Hochsensible, Hochbegabte oder anders ausgeprägte Feinfühlige ist dies definitiv nicht so. Sie scheitern oftmals bereits in sehr jungen Jahren an der Begrenztheit und den Beschränkungen des gesellschaftlich akzeptierten Normverständnisses. All die oben genannten ‚sonderbaren‘ Bedürfnisse und Verhaltensweisen sind für Menschen mit diesen Veranlagungen völlig normal und bedürfen unbedingt der Akzeptanz.

Ausblick - nicht nur für feinfühlige Menschen

Fazit: Ein erweitertes Verständnis ist notwendig

Was braucht es nun, um diese ungesunde Spirale von Fehleinschätzung und -diagnose zu beenden. Vor allem wieder den gesunden Menschenverstand, eine trainierte Intuition und ein kritisches Denken. Dies sind die Ingredienzen, um sich wieder am wirklichen Individuum zu orientieren und weniger an vermeintlich wissenschaftlichen Vorgaben, die zudem auch für alle gleichermaßen zu gelten und zu funktionieren zu haben – so zumindest das Wunschbild jener, die solche Paradigmen konstruieren.

Nein, der Mensch ist nicht gleich dem andern. In manchen Aspekten, ja. Aber sobald es individueller wird, treten die Unterschiede immer klarer zutage. Und diese natürlichen Unterschiede sind unser menschliches Lebenselixier. Diese natürlichen Unterschiede sorgen für die mannigfaltige Kreativität, die es braucht, um ein solch komplexes Unterfangen wie ein menschliches Leben auf dieser Erde bestmöglich – im Sinne des Menschen und der Natur – gemeinsam zu gestalten.

Warum spreche ich von „natürlichen“ Unterschieden? Weil gerade in den letzten Jahren intentional für Unterschiede – oder Spaltungen – gesorgt wurde, die nicht in harmonischer Weise einer menschlichen Entwicklung entsprechen. Die mutwilligen, oder auch manipulativen Veränderungen menschlicher Normwerte führen letztlich zu einer Art ’Deformation’. Denn ungesundes Verhalten wird als gesund deklariert und umgekehrt. Jede Unterlassung, derartige Schieflagen im Sinne einer ursprünglichen Gesundheit zu korrigieren, entspricht, will ich es scharf ausdrücken, einer unterlassenen Hilfeleistung.

Neben dem gesunden Menschenverstand, einer erstarkten Intuition und einem kritischen und hinterfragenden Denken ist daher auch Wissen ein elementar wichtiger Baustein, um die entstandene Schieflage wieder ins Lot zu bringen. Wissen darum, was der menschliche Körper wirklich braucht und wie sich ein gesundes Empfinden eigentlich äußert. Wissen, welche Bedürfnisse zutiefst menschlich sind, unabhängig von Veranlagung oder Kultur. Und vor allem Wissen darum, wie sich die Psyche ganz von alleine und auf gesunde Weise gegen ungesunde Lebensbedingungen wehrt.

Wenn Sie der Artikel angesprochen hat, Sie und Ihr Team mehr über ein stärkendes Umfeld für Hochsensible, Hochbegabte und andere Feinfühlige erfahren möchten, um Ihre Arbeit für und mit Menschen wieder menschlicher werden zu lassen, dann sprechen Sie mich für eine Fortbildung an. Aus meiner Praxis weiß ich, wie dankbar jene Menschen sind, die wieder ehrlich und ohne Normdeformationen so gesehen und angenommen werden, wie sie sind.

Sei informiert!

Nutze meine Fortbildungen sowie das individuelle Coaching, um diese beschriebene Abwärtsspirale umzudrehen und bewusst und absichtsvoll für Dich und Hochsensible und Hochbegabte, die Du begleitest, stärkende und beglückende Lebensbedingungen zu schaffen.

Denn: Es geht nur mit Dir zusammen!

🌟   🪷   💖