Was ist Hochbegabung (HS)?
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Ernst Festl
Definition Hochbegabung
In den Coachings bin ich immer wieder überrascht, wie wenig klar die Definition von Hochbegabung ist. Da dies aber schnell zu Fehlinterpretationen und Mißverständnissen führen kann, widme ich hier einige Zeilen dem theoretischen Hintergrund dieser Veranlagung.
Gemeinhin spricht man bei der Hochbegabung von einer deutlich außergewöhnlichen Intelligenzleistung. Hierzu gab und gibt es unterschiedliche Konzepte, die dieses Phänomen zu beschreiben versuchen. Die kognitiven Leistungen können sich in unterschiedlichen Bereichen wie Sprachen, räumliches oder mathematisches Denken zeigen. Darüber hinaus spricht man auch von Hochbegabung, wenn ein Mensch außergewöhnliche Leistungen z.B. in den Bereichen Kunst , Musik oder Sport zeigt. Das psychologische Wörterbuch Dorsch weist darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen Begabung (ein Fähigkeitsfaktor) und Intelligenz (kognitive Verarbeitung) relevant sei, um die Definition der Hochbegabung sauber zu erfassen.
Eine kognitive Hochbegabung wird durch den IQ-Test gemessen (ab 7J.), wobei hier das stimmige Setting und die Testbereitschaft des Kindes eine nicht unwesentliche Rolle für ein aussagekräftiges Ergebnis spielen. Dies wird leider allzu häufig nicht bedacht, was in der Folge leider u.U. zu verfälschten Ergebnissen – in der Regel ein geringerer IQ – führen kann.
IQ-Tests für Erwachsene sind möglich, aber werden deutlich seltener durchgeführt. Das mag auch daran liegen, dass es kaum Institutionen gibt, die die nicht unwesentlichen Kosten einer Testung (400,- – 700,-€) übernehmen. Dies selbst zu stemmen ist nicht jedem möglich und vor allem jenen nicht, die durch ungünstige Startbedingungen im Leben einen Lebenweg als Underachiever beschritten haben.
Genie, Teilbegabung, Generalist & Underachiever
Diese vier Begriffe stehen im engen Bezug zu Hochbegabung. Das Genie, allen als Phänomen bekannt, zeichnet sich durch extrem überdurchschnittliche Leistungen aus, kämpft jedoch häufig mit den Tücken des alltäglichen Lebens oder scheitert gar an ihnen.
Von einer Teilbegabung sprechen wir, wenn sich die Hochbegabung in einem einzigen Bereich zeigt, andere Fachgebiete jedoch durchschnittlich und manchmal auch fast unterdurchschnittlich bewältigt werden.
Der Generalist scheint alles zu können. Ein Wunderkind in Sprachen, Mathematik oder Sport. Ihm scheint alles zuzufallen, er muss für nichts wirklich richtig lernen – zumindest in den ersten Schuljahren und die Interessensfelder sind meist vielfältig gestreut.
Das Pendant zum Generalist ist der Non-Generalist, jener hochbegabte Mensch, der sich vordergründig durch keinerlei explizite Höchstleistung bemerkbar macht. Bei ihm zeigt sich seine Hochbegabung nicht in einem selbstgewählten (oder veranlagtem) Fachgebiet, sondern die besondere Leistungsfähigkeit fällt in den Kleinigkeiten des Alltags oder der Bewältigung aktueller Aufgaben auf. Daher erkennen diese Menschen, und auch ihr Umfeld, sich selbst eher selten als Hochbegabte.
Hier kommen wir zur Gruppe der Underachiever. Wenig charmant wird dies übersetzt als „Minderleister“, d.h. diese Menschen leisten nicht, zu was sie aufgrund ihrer Veranlagung eigentlich in der Lage wären. In der Regel sind unpassende oder belastende Lebensbedingungen in Kindheit und Jugend die Auslöser dafür, dass ein hochbegabter Mensch seine Potenziale weder kennt, noch sie adäquat ausleben kann.
Statistik ist nicht alles
Statistisch spricht die Psychologie von ca, 2,5% hochbegabten Menschen einer Population. Dies wird anhand der Gausschen Normalverteilung errechnet, wie du an dem oberen Bild erkennen kannst.
Andrea Brackmann hat in ihrem letzten Buch „Extrem begabt“ jedoch eine sehr interessante XXXXXX, der/die der statitischen Sichtweise zuwider läuft. Zum Einen stellt sie fest, dass in der IQ-Testung nicht standartmäßig der Extrembereich mitgemessen wird. Dazu bedarf es des Hamburg-Wechsler-Test, auch als HAWIK bekannt. Er kann die Extrembereich jenseits eines IQ von 140 gut erfassen, wird aber nicht automatisch bei jedem IQ-Test angewendet.
Weiterhin schreibt Brackmann, dass Psychologen, die auf besonders begabte Menschen spezialisiert sind, in ihren Feldforschungen (Beobachtungen in der Praxis) festgestellt haben, dass 1) doppelt so viele Menschen, wie statistisch errechnet, einen IQ von mindestens 160 Punkten erreichen und 2) mindestens dreimal so viele einen IQ von 180 und mehr zeigen. Das heißt, es müsste demzufolge deutlich mehr extrem begabte Menschen geben, als dies statistisch für möglich gehalten wird. Dieses Ergebnis passt somit nicht in die gängige Darstellung der Intelligenzverteilung! Eine schlüssige Erklärung und Aufarbeitung dieser Feststellungen steht derzeit jedoch noch aus.
Sensorische Merkmale bei Hochbegabten
Interessant im Kontext von Hochbegabung ist der Blick auf die sensorischen Merkmale. Die Merkmale der jeweiligen kognitiven, künstlerischen oder sportlichen Ausdrucksformen bemessen sich an den Inhalten. Die sensorischen Merkmale treten jedoch unabhängig vom Ausdrucksbereich des Einzelnen auf. So kannst du ein Mathe-Ass oder Sprachgenie sein, wie du aber auf Licht oder Lärm reagierst ist möglicherweise sehr ähnlich zu jenem Menschen, der ein Musik-Genie ist.
- detailierte Wahrnehmung
- komplexe Verarbeitung
- Perfektionismus
- großes Harmoniebedürfnis
- leichte Ablenkbarkeit
- schnelle Überreizung bei Licht, Lärm o.ä.
- schnelle Hautirritationen
- feine Wahrnehmung von Stimmungen und Schwingungen
- empfindsame Reaktionen auf pharmazeutische Medikamente, Kaffee oder Drogen
- etc.
Deinen Eindruck in Bezug auf deine sensorischen Empfindsamkeiten kannst du gerne über den HSP-Test vertiefen.
Wie immer gilt auch hier: nicht alle Merkmale treffen gleichermaßen auf alle zu. Wenn du aber bei einigen energisch mit dem Kopf nickst, könnte dies auch ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein. Allerdings ist für etliche Menschen, und vor allem für Underachiever, die Vorstellung, selbst hochbegabt sein zu können, eine erschreckende Vorstellung. Wenn dem so sein sollte, lass dich davon nicht ins Bockshorn jagen, werde kritisch und neugierig und beginne dich mit diesem Thema etwas genauer zu befassen – heute, in einer Woche, einem Monat oder in einem Jahr.
Warum solltest du von deiner Hochbegabung wissen?
Weil, genau wie bei der Hochsensibilität, die Veranlagung dein Wesen in all deinen Lebensbereichen beeinflusst – bewusst und unbewusst. Kannst du deine Disposition konstruktiv leben, werden dich die veranlagungsbedingten Potenziale auf deinem Seelenweg stärken und dir die Richtung weisen.
Hochbegabung - Kognitive Fähigkeit oder neuroale Struktur?
Mit Hilfe des IQ-Test lässt sich mehr oder weniger klar die kognitive Leistungsfähigkeit ablesen. Jedoch bleibt die Frage offen, was im Organismus eines Menschen ermöglicht diese besondere Leistungsfähigkeit? Was braucht es im menschlichen Organismus, damit es überhaupt zu solch besonderer Leistungsfähigkeit kommen kann?
Auch hier hat A. Brackmann wieder verblüffend einfache, aber innovative Ansätze vorgestellt. Um ein MEHR an Leistung erbringen zu können, braucht der Organismus zuvor zwei Dinge:
- Ein MEHR an Informationsaufnahme und
- ein MEHR an Informationsverarbeitung.
Dies beides sind nachweislich grundlegende Merkmale der Hochsensibilität! Ist hier möglicherweise eine Brücke zwischen den beiden Veranlagungen, auf die bislang in der Wissenschaft noch nicht genügend eingegangen wurde? Dies würde zumindest zum Teil erklären, warum es gerade im sensorischen Bereich so viele Parallelen zwischen Hochsensibilität und Hochbegabung gibt.
Auf der Seite HS & HB – Fremde oder Freunde? gehe ich tiefer auf diese Fragen ein und stelle die Grundzüge meiner Hypothese vor, in der ich von einer gemeinsamen Basis der Hochsensibilität und Hochbegabung ausgehe.